. Alexanderkirche Wildeshausen – Indizien zur Baugeschichte

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Alexanderkirche in Wildeshausen – Indizien zur Baugeschichte

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Die Alexanderkirche in Wildeshausen hat chronikalisch erwähnte Vorgängerbauten, die aber kaum archäologische Spuren hinterlassen haben und für die Baugeschichte der heutigen Kirche ohne Bedeutung sind.

Diese heutige Kirche ist eine Backsteinbasilika mit annähernd symmetrischem Querhaus und rechteckig schließendem Chor. Auf einem zu beiden Seiten weit ausladenden zweigeschossigen Westbau aus Granitquadermauerwerk steht mittig ein annähernd quadratischer Backsteinturm von vier Geschossen, darüber ein Walmdach mit quer zur Kirchenachse stehendem First und einem Dachreiter. Der Turm ragt einen Meter weiter nach Osten als der Granitunterbau, steht also teilweise auf dem Mittelschiff der Basilika.


Wildeshauser Stiftschronik:

Die im 16. Jahrhundert geschriebene und hinsichtlich Personennamen nicht fehlerfreie Stiftschronik erwähnt Einstürze der beiden Westtürme in den Jahren 1219 bzw. 1224, wonach die Fundamente des neuen Turmes gelegt worden seien. Die letztgenannte Formulierung verwundert, da der Turm, wie oben beschrieben auf dem alten zweigeschossigen Granitunterbau errichtet wurde. Populäre Darstellungen machen aus der Notiz die Grundsteinlegung für Chor Querhaus und Schiff der heutigen Alexanderkirche.


Dissertation Christa Schwens:

!969/70 legte Christa Schwens eine Dissertation über die Alexanderkirche vor. Ihre wichtigste Aussage ist, dass die gängige Auslegung des Chronikeintrags nicht fundiert ist, die Baugeschichte hinsichtlich der Abfolge von Turmeinsturz und Bau der Basilika also frei erfunden ist. Verdienstvoll ist auch ihre Recherche der Stiftsgeschichte, darin bedeutsam die sehr starke Stellung des Patronats: Der Stifter schrieb fest, dass das Amt des Rektors seinen Erben vorbehalten sein sollte. Nach dem Aussterben seiner Dynastie wurde diese Amt aufgeteilt in das des Vogtes für materielle Belange und des Probstes für geistliche Belange. Die Pröbste entstammten dann dem oldenburgischen Grafenhaus, während die Vogtei dem Erzbistum Bremen zustand, wiewohl das Stift kirchlich dem Bistum Osnabrück unterstellt blieb, das schließlich durch das neu geschaffene Amt des Dekans vertreten war. Manche Interpretationen der von ihr ausführlich beschriebenen Gebäudedetails durch Frau Schwens sind allerdings nicht zwingend. Ihre Spätdatierung von Zahnfriesen ist regelrecht falsch: Zahnfriese gibt es an an der Hauptapsis der Klosterkirche Lehnin, mittlere Datierung um 1160, und am Chors der St.-Osdag-Kirche in Mandelsloh einhellig auf die 2. Hälfte des 12. Jh. datiert (so Dehio-Handbuch von 1992), mit einzelnen Einschätzungen auf 1155–1165 (Denkmalatlas 1) und um 1180 (Kirchengemeinde2).



St. Alexandri in Wildeshausen:
Turm auf ausladendem Westbau



Baumaterialien:

Granit:

Die Wandoberflächen des Westbaues der Alexanderkirche bestehen aus exakt zurechtgehauenen Granitquadern, wie wenig weiter nördlich an einigen Kirchen im Bereich der Friesischen Wehde zu finden. Dieser friesische Granitquaderbau beginnt erst um 1200.
Am Turm der Johanniskirche in Bremen-Arbergend wird die Außenwand anhand der Schallbiforien auf eine Bauzeit um 1100 eingeschätzt, aber seine Quader sind wesentlich unregelmäßiger als die der Alexanderkirche.
Am Turm der Cyriakus-Kirche in Bruchhausen-Vilsen sind – neben Portasandstein und unregelmäßigem Feldstein, sowie etwas Backstein – möglicherweise auch einige Granitquader verbaut. Der Turm und die übrigen älteren Teile der Kirche werden (ohne nähere Begründung) auf einen Baubeginn „um 1200“ datiert (Dehio HB-NI (1992) S. 298/299 und die Broschüre über Dorfkirchen in den Landkreisen Diepholz und Nienburg).
Das spricht für einen Baubeginn des Westbaues dre Alexanderkirche um 1200, wie auch von Frau Schwens angenommen. In diese Zeit pass auch das zweistufige Westportal aus Sandstein.

„Schlosskirche“ St. Petri,
Varel, Turm ab 1200


St. Mauritius, Reepsholt

St. Johannis,
Bremen-Arbergen


St. Cyriakus, Bruchhausen-Vilsen
Backstein:

Backsteinbau gibt es im Weserflachland bekanntlich seit etwa 1160 oder 1170, im Domturm und der Johanniskirche in Verden. Ähnlich kleinformatige Backsteine wie die frühen Verdener traten beim Abriss der Bremer Katharinenkirche zutage, wie auf Filmaufnahmen zu erkennen ist. Die Klosterkirche St. Marien in Osterholz-Scharmbeck wurde 1186–1197 (chron.) ganz aus Backstein errichtet.
Mithin wurde der Westbau der Alexanderkirche nicht deswegen aus Granitquadern errichtet, weil man noch nicht über Backsteintechnik verfügte. Angesichts der von Frau Schwens erwähnten starken Stellung des Patronats im Stift Wildeshausen ist diese Materialverwendung als Hervorhebung des Patronatsbaues zu deuten, vergleichbar mit dem Turm der Andreaskirche in Verden und den unteren Geschossen des Westbaues der „Schlosskirche“ in Varel. Dazu passt die Inneneinteilung mit einer von zwei Privatkapellen flankierten Patronatsloge.


Klosterkirche Osterholz, 1186–1197,
Querhaus mit Zahnfriesen u. Bogenfries

Sandstein:

Das Westportal unter dem Turm der Alexanderkirche passt mit seinen Rundbögen und Rundstäben, mit der Form seiner Kapitelle und dem Tierschmuck gut zu einer Entstehungszeit um 1200. Ebenso der Kleeblattbogen der Türöffnung. Das Material Sandstein ist kein Grund für eine spätere Datierung, die Verwendung von Sandstein für komplizierte Formen an Granitquaderkirchen gibt es auch im friesischen Bereich. So wurden im Boden um die Mauritiuskirche in Reepsholt Sandsteinbögen aus der Zeit gefunden, da auch die Fensterzone eine Granitfassade hatte.

Alexanderkirche: Westportal

Befunde:

Die Darstellung konzentriert sich auf Befunde, die für die Entwicklung des Gesamtbaues der Alexanderkirche in Wildeshausen relevant sind.

S e i t e n s c h i f f e :

Wie Frau Schwens erwähnt hat und an den Putzspuren diverser Dachansätze zu erkennen ist, wurden die Seitenschiffsdächer mehrmals umgebaut, anscheinend wegen mangelnder Dichtigkeit.

Unter den Baubefunden fallen zwei von Frau Schwens nicht erwähnte Baunähte an den Seitenschiffen auf, auf der Südseite sehr nahe am Querhauswinkel, auf der Nordseite in etwa 2 m Abstand von diesem. An diesen auch im aufragenden Mauerwerk erkennbaren Baunähten ändert sich der Natursteinsockel: Östlich davon besteht er vollständig aus Quadern, westlich davon gibt es eine Lage Quader über Feldstein. Das lässt auf eine (möglicherweise kurze) Baupause zwischen älteren Ostteilen (Vierungsgruppe) und jüngerem Langhaus schließen.

Südseitenschiff und Südquerhaus

Langhaus-Nordseite

V e r b i n d u n g e n   z w i s c h e n   W e s t b a u ,   L a n g h a u s   u n d   T u r m :

Hinweise auf das Zeitverhältnis der Errichtung der verschiedenen Gebäudeteile zum Einsturz der alten Westtürme sind dort zu suchen und auch tatsächlich zu finden, wo diese Gebäudeteile und die Dächer über den Basen der eingestürzten Türme miteinander verbunden sind.

Nordseite:


Turm von Nordosten

Nordwestliche Turmecke
An der Nordwand des Turms gibt es zwei Schlaggesimse. Das beginnt auf der Mauerkante des Granitunterbaues, das obere in Traufenhöhe des Langhausmittelschiffs. Da das nächsthöhere Geschossgesims des Turms am Schlaggesims endet, dürfte der heutige Turm in Verbindung mit einem höheren Satteldach auf dem Unterbau des eingestürzten Nordturms errichtet worden sein, als dem jetzigen Satteldach.
Der Bogenfries an der Traufe des Mittelschiffsdaches setzt sich um zwei Bögen bis an das untere Schlaggesims fort, aber mit zwei Materialwechseln zu westwärts immer dunkleren Farben: Unter der Turmecke beginnt dunklerer Backstein, über der Granitkante eventuell sogar teilweise Naturstein. In senkrechter Linie ab der Oberkante des Granits hat die westliche Fortsetzung der Mittelschiffswand eine Baunaht.
Das obere Schlaggesims an der Turmnordwand beginnt auf der Oberkante der Westverlängerung des Traufenfrieses, und zwar senkrecht über der Kante der Granitwand. Es passt zu einer Phase, da die Seitenschiffsdächer bis an die Mittelschiffstraufe reichten, das basilikal errichtete Kirchenschiff also zur Pseudobasilika umgebaut war oder gerade zur Pseudobasilika umgebaut wurde. Die Granitmauern des Westbaues können zu dieser Zeit bis in Traufenhöhe des Mittelschiffs gereicht haben.
Demnach wurde der Traufenfries nach dem Einsturz der alten Türme bis an den höher als heute reichenden Unterbau repariert, aber erst später bis über die Granitmauer verlängert, als man wieder zu einer basilikalen Form überging.
Das untere Schlaggesims beginnt im Westen auf der hier endenden zweiten Verlängerung des Traufenfrieses, also in gleicher Höhe wie das obere. Im Westen enden beide Schlaggesims an der Nordwestkante des Turms, also über einander. Ob man von vorn herein zwei Schlaggesimse angelegt hat, weil man noch nicht wusste, wie man weiterbauen wollte, sei dahingestellt. (Als Vergleich bietet sich die Matthäuskirche in Rodenkirchen an, wo man einerseits Schildbögen anlegte, im Hinblick auf eine mögliche Einwölbung, aber andererseits die Innenseite des Querhausgiebels ausmalte, im Hinblick auf einen bis unter die Dachschrägen reichenden Kirchenraum.)
Die Giebeldreiecke des westlichen Querbaues der Alexanderkirche sind aus Backstein im Kreuzverband gemauert, im zentralen Bereich aus Mauerziegeln in mittelalterlichem bis frühneuzeitlichem Format, zu über der Hälfte aber in kleinem Format, wie im 19. Jahrhundert üblich. Das spricht für neuzeitliche Veränderungen bis ins 19. oder 20. Jahrhundert. Aber die Turmwand ist sowohl über als auch unter dem oberen Schlaggesims in mittelalterlichen Verbänden und wohl auch mittelalterlichem Material gemauert.

Südseite:
An der Südwand des Turms gibt es nur über dem heutigen, unteren Dach ein Schlaggesims. Oberhalb davon ist östlich des Firstes die Putzspur eines höher gelegenen Dachansatzes zu erkennen. Wie das obere Schlaggesims an der Nordwand verläuft sie nicht parallel, sondern steiler und zielt auf eine Traufe wenig oberhalb und außerhalb der heutigen. Dort hat die Mittelschiffswand ein Loch, das zur Dachkonstruktion oder nur zu einem Rüstholz gehört haben mag. Der Bogenfries der Mittelschiffstraufe ist am Turm bis an das Schlaggesims fortgesetzt, aber sein Material unterscheidet sich dort in Form und Farbe von den Friesabschnitten östlich des Turms. Stattdessen gleicht sie der Farbe des nächst höher gelegenen Etagengesimses des Turms. Es gibt eine senkrechte Baunaht westlich neben der letzten Bogenkonsole und zwei nicht ganz senkrechte wenig weiter östlich. Unterhalb des Bogenfrieses liegt in Höhe der heutigen Dachtraufe des Südflügels des Westbaues ein kurzes Fragment eines Konsolenfrieses, aber nur im Bereich des Turms. Unterhalb dieses Frieses ist die Hochschiffswand bis an die Granitwand des Westbaues kaum gestört.


Turm von Südosten

Westbau von Südsüdosten

Turm von Südwesten
Heutiger Westturm:
Am heutigen Westturm haben die beiden unteren Backsteingeschosse deutlich gotische Fensteröffnungen und Zierblenden, beides in der Westwand des unteren Backsteingeschosses, sowie eine Blendarkade mit Mosaikhintergründen in der Südwand des Geschosses darüber. In den zweifellos jüngeren oberen Geschossen dominieren wieder romanische Formen. Diese Kombination ist verwunderlich, aber Wildeshausen darin nicht einmalig. Auswärtige Beispiele sind der Westturm der Petrikirche in Westerstede und derjenige in Kirchdorf auf der mecklenburgischen Insel Poel.

Die Mauerecken der Backsteingeschosse des Turms der Alexanderkirche sind mit Granitquadern betont. Deren Gesamtmenge reicht aber nicht aus, um vier Außenmauern auch nur eines Geschosses eines der verlorenen Ecktürme zu bedecken. Die Nordwand des obersten Turmgeschosses hat in den Wandflächen außer Backstein auch lagerhaftes Feldsteinmauerwerk. Beim Einsturz der Obergeschosse des Turmpaares ist also wohl nicht viel an Granitquadern angefallen. Daher ist damit zu rechnen, dass auch die verlorenen Türme schon großenteils Backsteinmauern hatten, so wie das heute zu einem Turm verbundene Turmpaar der "Schlosskirche" in Varel.



St. Petri, Westerstede


Kirchdorf, Insel Poel
G e w ö l b e :

Die Gewölbe sämtlicher hohen Teile des Kirchenraumes, also Chor, Querhausarme, Vierung, Langhaus und das Orgeljoch unter dem Turm haben spitzbogige domikale Kreuzrippengewölbe mit spitzbogigen Gurt- und Schildbögen. Die beiden Querhausjoche haben zarte Bandrippen, alle übrigen hohen Joche und ebenso die Gewölbe der Seitenschiffe Wulstrippen. Die Seitenschiffe haben rundbogige Arkaden, Gurtbögen und Querhausanschlüsse, Es gibt mehrere Beispiele, von Pontigny bis Bassum, dass man Seitenschiffe altertümlicher gestaltete als die hohen Teilräume (in beiden Fällen spitzbogig aber ohne Rippen). Mit Gewölbeformen wie denen des Gottesdienstraumes der Alexanderkirche ist angesichts derer der Zisterzienserkirche in Marienfeld ebenfalls ab Beginn des 13. Jahrhunderts zu rechnen. Durch die Rundbogenarkaden sind die Gewölbe der Wildeshauser Alexanderkirche in der Summe altertümlicher als diejenigen des Osnabrücker Doms.


Klosterkirche Marienfeld:
Chor, ab etwa 1200

Chor der Alexanderkirche in Wildeshausen

Nordquerhaus der
Alexanderkirche

Alexanderkirche:
Südquerhaus westwärts

Alexanderkirche:
Südseitenschiff ostwärts

Alexanderkirche:
Langhaus und Orgeljoch

F e n s t e r   u n d   W ä n d e :

Durch die (ursprünglich) rundbogigen Obergaden ist das Mittelschiff in Wildeshausen altertümlicher als das des Bremer Doms. Zwei Kirchen im Rheinland wurden schon im ersten Viertel des 13. Jahrhunderts innen mit Rundbogenfriesen dekoriert:
• Das Langhaus von St. Aposteln in Köln wurde nach der Zerstörung durch einen Großbrand (wohl kurz vor 1200) erneuert und erhielt dabei unterhalb der Triforien Rundbogenfriese. Eine urkundliche Notiz, im März 1219 sei die Kirche eingewölbt gewesen, lässt diese Dekoration in die ersten beiden Jahrzehnte des 13. Jahrhunderts datieren.1 Die Einwölbung des Langhauses ist den rundbogigen Verläufen und rechteckigen Querschnitten der Gurtbögen ausgesprochen konservativ. Das Westquerhaus wurde ab etwa 1225 deutlich eleganter eingewölbt.
• An der Onze-Lieve-Vrowemunsterkerk in Roermond ist der Trikonchus der Ostpartie der älteste Teil und wird auf das 1. Viertel des 13. Jh. datiert.2 Die Innenwände beider Seitenkonchen sind unterhalb der Empore mit Bogenfriesen geschmückt.
• Da der 1209 von ihm begonnene Neubau des Magdeburger Doms nur langsam voranschritt, ließ Erzbischof Albrecht von Käfernburg die großenteils im letzten Drittel des 11. Jahrhunderts errichtete benachbarte Liebfrauenkirche als Ersatzkathedrale herrichten, indem er in das bis dahin flachgedeckte Mittelschiff gotische Gewölbe einziehen ließ, 1221/1222 (d).3 Die sechsteiligen Rippengewölbe haben elegante Rippen und Gurtbögen nach französischem Vorbild, aber einen leichten Stich. Ihre Vorlagen sich durch Spitzbögen nah über den alten romanischen Arkaden verbunden, diese Vorlagenbögen mit Rundbogenfriesen geschmückt.
• Als Beginn für die frühgotische Einwölbung des Bremer Doms wird üblcherweise der 1224 genehmigte Ablass „zur Reparatur der bremischen Kirche“ angesehen.4 Die Gewölbe haben so große Ähnlichkeit zur Magdeburger Liebfrauenkirche, dass diese als Vorbild anzusehen ist. Vorlagebögen hat der Bremer Dom nicht bekommen. Die Bogenfriese erscheinen im Mittelschiff des Bremer Doms als harmonischer Bestandteil der romanischen Arkaden, aber sie sind auf Lisenen an den Pfeilern abgestimmt, deren Breite die Anzahl der vorgelagerten Gewölbevorlagen berücksichtigt; also sind die Friese hier erst mit der Einwölbung angebracht worden, mithin im zweiten Viertel des 13. Jahrhunderts.
Fazit für Wildeshausen: Die Bogenfriese sind mit einer Langhauserrichtung vor dem Einsturz der Türme vereinbar, aber eine Datierungshilfe für diese Bauphase bieten die Vergleichsbauten nicht. Munsterkerk in Roermond (Seitenarme des Trikonchus).

Osnabrücker Dom:
Langhaus zum Chor

Wiewohl es auch andernorts Beispiele gibt (s. o.) dass die Seitenschiffe altertümlicher gestaltet wurden als die hohen Teilräume, ist die Alexanderkirche hinsichtlich der Arkaden altertümlicher als der Osnabrücker Dom (s. o.).

Die Obergadenfenster sind in Wildeshausen in der Lage alle original erhalten, in der Form nur auf der Nordseite. Im Unterschied zu den westlichen Querhausfenstern (am Südquerhaus vermauert) und den ursprünglichen fenstern der Seitenschiffe sind sie innen wie außen mit kräftigen U-förmig umlaufenden Rundstäben geschmückt. Alle Obergadenfenster stehen über den Mittelpfeilern des gebundenen Systems. Ihre steilen Sohlbänke beginnen in geringem Abstand über Arkaden und innerem Bogenfries. Die westlichen Querhausfenster beginnen nahe über den Seitenschiffswänden. Wie von Frau Schwens betont, deutet das an, dass die Seitenschiffe zunächst Sattelächer (oder Walmdächer) mit quer zur Gebäudeachse stehenden Dachfirsten über jedem einzelnen Joch hatten.


Wildeshausen, St. Alexandri:
Nordarkade

Köln: St Aposteln:
3-Konchen-Chor um 1200,
Mittelschiff 1200–1220

Roermond, Munsterkerk:
Nordkonche 1. Viertel 13. Jh.

Magdeburg, Liebfrauen:
Nordarkade

Bremer Dom: romanische
Arkaden, gotische Obergaden

Bremer Dom: Lisene m. 3 Vor-
lagen 10 cm breiter als mit 1

Schlussfolgerung:

Der Bau der jetzigen Alexanderkirche in Wildeshausen wurde etwa um 1200 an zwei Enden begonnen, im Osten mit Chor und Querhaus spätromanisch aus Backstein, im Westen mit dem Patronatsbau aus Granit.
(Auch am Kölner Dom und am Utrechter Dom wurden vor dem Langhaus untere Geschosse der Turmpartie errichtet. Wo man das Langhaus von Anfang an einwölben wollte, konnte der Westbau als Wiederlager für die Langhausgewölbe dienen.)

Anschließend wurde das ebenfalls spätromanische basilikale Langhaus bis an den halbfertigen zweitürmigen Westbau gebaut.

Die Turmeinstürze beschädigte das Langhaus nur wenig, das dann aber auf der Nordseite als Pseudobasilika repariert wurde.
Die Auswirkungen von Turmeinstürzen an anderen Kirchen konnten sehr unterschiedlich sein. So richtete der Einsturz von mehr als drei Geschossen des Südturms des Bremer Doms 1638 am Schiff anscheinend kaum Schaden an, während nach dem Einsturz des Turms der Marienkirche in Gardelegen sämtliche Gewölbe des Schiffs wiederhergestellt werden mussten In Wildeshausen kann mit der Reparatur des Langhauses kann schon nach dem ersten Turmeinsturz begonnen worden sein, mit dem Bau des neuen, mittleren, Westturms notwendigerweise erst nach dem Einsturz auch des zweiten alten Turms. Dessen Errichtung begann man in den inzwischen aktuellen frühgotischen Formen, kehrte aber bei den Glockengeschossen wieder zu romanischen Formen zurück.

Von den äußeren Mauern des eingestürzten Südturms wollte man offensichtlich zunächst ein paar Steinlagen mehr stehen lassen, bis in Traufenhöhe des Mittelschiffs. Entgegen der üblichen Einschätzung der Pseudobasilika auf der Nordseite als Schöpfung des 17. Jahrhunderts setzt die Gestaltung des zweiten Backsteingeschosses, ohne schmückende Blendarkade, dafür mit Schlaggesims für ein hohes Satteldach, eine Mauerkante des Nordturmstumpfes in der Höhe der Mittelschiffstraufe voraus. Auf diese zielt auch auch die Putzmarke des pseudobasilikalen Schleppdaches an der Ostwand des Westbaues.


Exkurs:

Wilshausen von M. Merian

Für viele Baugeschichten sind die Stadtansichten und Vogelschaupläne Matthäus Merians d. A. eine nützliche Quelle. Die Ansicht von Wilshausen in seiner Topographia Westphaliae ist es nicht. Zu groß sind die Abweichungen von den Eigenschaften, die die Alexanderkirche im 17. Jahrhundert gehabt haben kann. Die beiden sicherlich auch damals markanten Querbauten fehlen ganz. Der Chor ist mit etwas geringerer Firsthöhe dargestellt als das Langhaus, bei gleicher Breite. Das deutet eine einschiffigen Kirche an, die St. Alexander seit dem 13. Jharhundert nicht mehr war. Die hohen Seitenfenster in Verbindung mit einem Satteldach von fast dreifacher Turmbreite würden zu einer Hallenkirche mit hohen Seitenschiffen passen, was diese Kirche nie war. Allein der Turm mit seiner Laterne hat eine gewisse Ähnlichkeit mit dem wohl auch damals vorhandenen kurzen Walmdach mit Dachreiter. Die von Christa Schwens angesprochene gestaffelte Dreifenstergruppe passt zu der regionalen Häufung dieser Befensterung von Ostgiebeln. Dargestellt ist der südlich anschließende Remter.



Quellen zur Alexanderkirche:

Dehio-Handbuch Bremen / Niedersachsen, Deutscher Kunstverlag (1992), S. 1369–1372

Denkmalatlas Niedersachsen: St. Alexander (Wildeshausen, Stadt)

Christa Schwens:Die Alexanderkirche in Wildeshausen und ihre Baugeschichte (Diss.), Verlag Holzberg, Oldenburg 1969/70
(Verfügbar u. a. im Magazin der Staats- und Universitätsbibliothek Bremen, Signatur: kun 259 wil 824)


Fußnoten:

1 - Dehio-Handbuch Bremen / Niedersachsen, Deutscher Kunstverlag (1992), S. 916/917
und Denkmalatlas Niedersachsen: Kirche St. Osdag

2 - Kirchengemeinde Mandelsloh: Kirche & Geschichte: St. Osdag Kirche

3 - Die Kunstdenkmäler der Stadt Köln. Im Auftrage des Provinzialverbandes der Rheinprovinz
und mit Unterstützung der Stadt Köln in Verbindung mit W. Ewald [et al.] Hrsg. von Paul Clemen, S. 117: „MCCXIX mense Marcio …; quo tempore hoc ecclesia testudinata est.

4 –Monumenten in Nederland: Band Limburg, (verfügbar als PDF zum kostenlosen Download von der dbnl), S. 299

5 – Dehio Handbuch der deutschen Kunstdenkmäler „Sachsen-Anhalt I“, Deutscher Kunstverlag (2002), S. 557–561
6 –

2 –
Bremer Urkundenbuch Nr. 129 (1. Band [1863, Lieferung 2–3, S. 152: Nr. 129, Lateran 18. März 1224

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