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Alexanderkirche in Wildeshausen – Indizien zur Baugeschichte |
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(Vorab: Alle Fotos sind durch Anklicken einzeln aufzurufen und lassen sich dann in voller Auflösung anzeigen, Fotos der Alexanderkirche zumeist mit 3000 x 4000 oder 4000 x 3000 Pixeln.) Die Alexanderkirche in Wildeshausen hat chronikalisch erwähnte Vorgängerbauten, die aber kaum archäologische Spuren hinterlassen haben und für die Baugeschichte der heutigen Kirche ohne Bedeutung sind. Diese heutige Kirche ist eine Backsteinbasilika mit annähernd symmetrischem Querhaus und rechteckig schließendem Chor. Auf einem zu beiden Seiten weit ausladenden zweigeschossigen Westbau aus Granitquadermauerwerk steht mittig ein annähernd quadratischer Backsteinturm von vier Geschossen, darüber ein Walmdach mit quer zur Kirchenachse stehendem First und einem Dachreiter. Der Turm ragt einen Meter weiter nach Osten als der Granitunterbau, steht also teilweise auf dem Mittelschiff der Basilika. |
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Wildeshauser Stiftschronik: Die im 16. Jahrhundert geschriebene und hinsichtlich Personennamen nicht fehlerfreie Stiftschronik erwähnt Einstürze der beiden Westtürme in den Jahren 1219 bzw. 1224, wonach die Fundamente des neuen Turmes gelegt worden seien. Die letztgenannte Formulierung verwundert, da der Turm, wie oben beschrieben auf dem alten zweigeschossigen Granitunterbau errichtet wurde. Populäre Darstellungen machen aus der Notiz die Grundsteinlegung für Chor Querhaus und Schiff der heutigen Alexanderkirche. Dissertation Christa Schwens: !969/70 legte Christa Schwens eine Dissertation über die Alexanderkirche vor. Ihre wichtigste Aussage ist, dass die gängige Auslegung des Chronikeintrags nicht fundiert ist, die Baugeschichte hinsichtlich der Abfolge von Turmeinsturz und Bau der Basilika also frei erfunden ist. Verdienstvoll ist auch ihre Recherche der Stiftsgeschichte, darin bedeutsam die sehr starke Stellung des Patronats: Der Stifter schrieb fest, dass das Amt des Rektors seinen Erben vorbehalten sein sollte. Nach dem Aussterben seiner Dynastie wurde diese Amt aufgeteilt in das des Vogtes für materielle Belange und des Probstes für geistliche Belange. Die Pröbste entstammten dann dem oldenburgischen Grafenhaus, während die Vogtei dem Erzbistum Bremen zustand, wiewohl das Stift kirchlich dem Bistum Osnabrück unterstellt blieb, das schließlich durch das neu geschaffene Amt des Dekans vertreten war. Manche Interpretationen der von ihr ausführlich beschriebenen Gebäudedetails durch Frau Schwens sind allerdings nicht zwingend. Ihre Spätdatierung von Zahnfriesen ist regelrecht falsch: Zahnfriese gibt es an an der Hauptapsis der Klosterkirche Lehnin, mittlere Datierung um 1160, und am Chors der St.-Osdag-Kirche in Mandelsloh einhellig auf die 2. Hälfte des 12. Jh. datiert (so Dehio-Handbuch von 1992), mit einzelnen Einschätzungen auf 1155–1165 (Denkmalatlas 1) und um 1180 (Kirchengemeinde2). |
St. Alexandri in Wildeshausen: Turm auf ausladendem Westbau |
Baumaterialien: Granit: Die Wandoberflächen des Westbaues der Alexanderkirche bestehen aus exakt zurechtgehauenen Granitquadern, wie wenig weiter nördlich an einigen Kirchen im Bereich der Friesischen Wehde zu finden. Dieser friesische Granitquaderbau beginnt erst um 1200. Am Turm der Johanniskirche in Bremen-Arbergend wird die Außenwand anhand der Schallbiforien auf eine Bauzeit um 1100 eingeschätzt, aber seine Quader sind wesentlich unregelmäßiger als die der Alexanderkirche. Am Turm der Cyriakus-Kirche in Bruchhausen-Vilsen sind – neben Portasandstein und unregelmäßigem Feldstein, sowie etwas Backstein – möglicherweise auch einige Granitquader verbaut. Der Turm und die übrigen älteren Teile der Kirche werden (ohne nähere Begründung) auf einen Baubeginn „um 1200“ datiert (Dehio HB-NI (1992) S. 298/299 und die Broschüre über Dorfkirchen in den Landkreisen Diepholz und Nienburg). Das spricht für einen Baubeginn des Westbaues dre Alexanderkirche um 1200, wie auch von Frau Schwens angenommen. In diese Zeit pass auch das zweistufige Westportal aus Sandstein. |
Turm von Südosten |
Westbau von Südsüdosten |
Turm von Südwesten |
F e n s t e r u n d W ä n d e : Durch die (ursprünglich) rundbogigen Obergaden ist das Mittelschiff in Wildeshausen altertümlicher als das des Bremer Doms. Zwei Kirchen im Rheinland wurden schon im ersten Viertel des 13. Jahrhunderts innen mit Rundbogenfriesen dekoriert: • Das Langhaus von St. Aposteln in Köln wurde nach der Zerstörung durch einen Großbrand (wohl kurz vor 1200) erneuert und erhielt dabei unterhalb der Triforien Rundbogenfriese. Eine urkundliche Notiz, im März 1219 sei die Kirche eingewölbt gewesen, lässt diese Dekoration in die ersten beiden Jahrzehnte des 13. Jahrhunderts datieren.1 Die Einwölbung des Langhauses ist den rundbogigen Verläufen und rechteckigen Querschnitten der Gurtbögen ausgesprochen konservativ. Das Westquerhaus wurde ab etwa 1225 deutlich eleganter eingewölbt. • An der Onze-Lieve-Vrowemunsterkerk in Roermond ist der Trikonchus der Ostpartie der älteste Teil und wird auf das 1. Viertel des 13. Jh. datiert.2 Die Innenwände beider Seitenkonchen sind unterhalb der Empore mit Bogenfriesen geschmückt. • Da der 1209 von ihm begonnene Neubau des Magdeburger Doms nur langsam voranschritt, ließ Erzbischof Albrecht von Käfernburg die großenteils im letzten Drittel des 11. Jahrhunderts errichtete benachbarte Liebfrauenkirche als Ersatzkathedrale herrichten, indem er in das bis dahin flachgedeckte Mittelschiff gotische Gewölbe einziehen ließ, 1221/1222 (d).3 Die sechsteiligen Rippengewölbe haben elegante Rippen und Gurtbögen nach französischem Vorbild, aber einen leichten Stich. Ihre Vorlagen sich durch Spitzbögen nah über den alten romanischen Arkaden verbunden, diese Vorlagenbögen mit Rundbogenfriesen geschmückt. • Als Beginn für die frühgotische Einwölbung des Bremer Doms wird üblcherweise der 1224 genehmigte Ablass „zur Reparatur der bremischen Kirche“ angesehen.4 Die Gewölbe haben so große Ähnlichkeit zur Magdeburger Liebfrauenkirche, dass diese als Vorbild anzusehen ist. Vorlagebögen hat der Bremer Dom nicht bekommen. Die Bogenfriese erscheinen im Mittelschiff des Bremer Doms als harmonischer Bestandteil der romanischen Arkaden, aber sie sind auf Lisenen an den Pfeilern abgestimmt, deren Breite die Anzahl der vorgelagerten Gewölbevorlagen berücksichtigt; also sind die Friese hier erst mit der Einwölbung angebracht worden, mithin im zweiten Viertel des 13. Jahrhunderts. Fazit für Wildeshausen: Die Bogenfriese sind mit einer Langhauserrichtung vor dem Einsturz der Türme vereinbar, aber eine Datierungshilfe für diese Bauphase bieten die Vergleichsbauten nicht. Munsterkerk in Roermond (Seitenarme des Trikonchus). |
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Osnabrücker Dom: Langhaus zum Chor |
Wiewohl es auch andernorts Beispiele gibt (s. o.) dass die Seitenschiffe altertümlicher gestaltet wurden als die hohen Teilräume, ist die Alexanderkirche hinsichtlich der Arkaden altertümlicher als der Osnabrücker Dom (s. o.). Die Obergadenfenster sind in Wildeshausen in der Lage alle original erhalten, in der Form nur auf der Nordseite. Im Unterschied zu den westlichen Querhausfenstern (am Südquerhaus vermauert) und den ursprünglichen fenstern der Seitenschiffe sind sie innen wie außen mit kräftigen U-förmig umlaufenden Rundstäben geschmückt. Alle Obergadenfenster stehen über den Mittelpfeilern des gebundenen Systems. Ihre steilen Sohlbänke beginnen in geringem Abstand über Arkaden und innerem Bogenfries. Die westlichen Querhausfenster beginnen nahe über den Seitenschiffswänden. Wie von Frau Schwens betont, deutet das an, dass die Seitenschiffe zunächst Sattelächer (oder Walmdächer) mit quer zur Gebäudeachse stehenden Dachfirsten über jedem einzelnen Joch hatten. |
Wildeshausen, St. Alexandri: Nordarkade |
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Köln: St Aposteln: 3-Konchen-Chor um 1200, Mittelschiff 1200–1220 |
Roermond, Munsterkerk: Nordkonche 1. Viertel 13. Jh. |
Magdeburg, Liebfrauen: Nordarkade |
Bremer Dom: romanische Arkaden, gotische Obergaden |
Bremer Dom: Lisene m. 3 Vor- lagen 10 cm breiter als mit 1 |
Schlussfolgerung: Der Bau der jetzigen Alexanderkirche in Wildeshausen wurde etwa um 1200 an zwei Enden begonnen, im Osten mit Chor und Querhaus spätromanisch aus Backstein, im Westen mit dem Patronatsbau aus Granit. (Auch am Kölner Dom und am Utrechter Dom wurden vor dem Langhaus untere Geschosse der Turmpartie errichtet. Wo man das Langhaus von Anfang an einwölben wollte, konnte der Westbau als Wiederlager für die Langhausgewölbe dienen.) Anschließend wurde das ebenfalls spätromanische basilikale Langhaus bis an den halbfertigen zweitürmigen Westbau gebaut. Die Turmeinstürze beschädigte das Langhaus nur wenig, das dann aber auf der Nordseite als Pseudobasilika repariert wurde. Die Auswirkungen von Turmeinstürzen an anderen Kirchen konnten sehr unterschiedlich sein. So richtete der Einsturz von mehr als drei Geschossen des Südturms des Bremer Doms 1638 am Schiff anscheinend kaum Schaden an, während nach dem Einsturz des Turms der Marienkirche in Gardelegen sämtliche Gewölbe des Schiffs wiederhergestellt werden mussten In Wildeshausen kann mit der Reparatur des Langhauses kann schon nach dem ersten Turmeinsturz begonnen worden sein, mit dem Bau des neuen, mittleren, Westturms notwendigerweise erst nach dem Einsturz auch des zweiten alten Turms. Dessen Errichtung begann man in den inzwischen aktuellen frühgotischen Formen, kehrte aber bei den Glockengeschossen wieder zu romanischen Formen zurück. Von den äußeren Mauern des eingestürzten Südturms wollte man offensichtlich zunächst ein paar Steinlagen mehr stehen lassen, bis in Traufenhöhe des Mittelschiffs. Entgegen der üblichen Einschätzung der Pseudobasilika auf der Nordseite als Schöpfung des 17. Jahrhunderts setzt die Gestaltung des zweiten Backsteingeschosses, ohne schmückende Blendarkade, dafür mit Schlaggesims für ein hohes Satteldach, eine Mauerkante des Nordturmstumpfes in der Höhe der Mittelschiffstraufe voraus. Auf diese zielt auch auch die Putzmarke des pseudobasilikalen Schleppdaches an der Ostwand des Westbaues. Exkurs: | ||||
Wilshausen von M. Merian Für viele Baugeschichten sind die Stadtansichten und Vogelschaupläne Matthäus Merians d. A. eine nützliche Quelle. Die Ansicht von Wilshausen in seiner Topographia Westphaliae ist es nicht. Zu groß sind die Abweichungen von den Eigenschaften, die die Alexanderkirche im 17. Jahrhundert gehabt haben kann. Die beiden sicherlich auch damals markanten Querbauten fehlen ganz. Der Chor ist mit etwas geringerer Firsthöhe dargestellt als das Langhaus, bei gleicher Breite. Das deutet eine einschiffigen Kirche an, die St. Alexander seit dem 13. Jharhundert nicht mehr war. Die hohen Seitenfenster in Verbindung mit einem Satteldach von fast dreifacher Turmbreite würden zu einer Hallenkirche mit hohen Seitenschiffen passen, was diese Kirche nie war. Allein der Turm mit seiner Laterne hat eine gewisse Ähnlichkeit mit dem wohl auch damals vorhandenen kurzen Walmdach mit Dachreiter. Die von Christa Schwens angesprochene gestaffelte Dreifenstergruppe passt zu der regionalen Häufung dieser Befensterung von Ostgiebeln. Dargestellt ist der südlich anschließende Remter. |
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Quellen zur Alexanderkirche: Dehio-Handbuch Bremen / Niedersachsen, Deutscher Kunstverlag (1992), S. 1369–1372 Denkmalatlas Niedersachsen: St. Alexander (Wildeshausen, Stadt) Christa Schwens:Die Alexanderkirche in Wildeshausen und ihre Baugeschichte (Diss.), Verlag Holzberg, Oldenburg 1969/70 (Verfügbar u. a. im Magazin der Staats- und Universitätsbibliothek Bremen, Signatur: kun 259 wil 824) Fußnoten: 1 - Dehio-Handbuch Bremen / Niedersachsen, Deutscher Kunstverlag (1992), S. 916/917 und Denkmalatlas Niedersachsen: Kirche St. Osdag 2 - Kirchengemeinde Mandelsloh: Kirche & Geschichte: St. Osdag Kirche 3 - Die Kunstdenkmäler der Stadt Köln. Im Auftrage des Provinzialverbandes der Rheinprovinz und mit Unterstützung der Stadt Köln in Verbindung mit W. Ewald [et al.] Hrsg. von Paul Clemen, S. 117: „MCCXIX mense Marcio …; quo tempore hoc ecclesia testudinata est.“ 4 –Monumenten in Nederland: Band Limburg, (verfügbar als PDF zum kostenlosen Download von der dbnl), S. 299 5 – Dehio Handbuch der deutschen Kunstdenkmäler „Sachsen-Anhalt I“, Deutscher Kunstverlag (2002), S. 557–561 6 – 2 – Bremer Urkundenbuch Nr. 129 (1. Band [1863, Lieferung 2–3, S. 152: Nr. 129, Lateran 18. März 1224 → Impressum |